Hermann in Nanjing
Blick durchs Kaleidoskop
Premiere am Freitag, 29. November 2024 im Schlachthaus Theater Bern
Ein feministischer Abend über Friedrich Schillers "Maria Stuart" von Gornaya / Milva Stark.
Pressestimmen:
- Theater der Zeit
- Der Bund
- SRF Kultur (ab 06:22)
- Journal B
- Hauptstadt
- kath.ch
Premiere 23. März 2024 im Theater an der Effingerstrasse
Anfang der Dreissigerjahre sind sie überall zu bekommen: "Die Protokolle der Weisen von Zion". Als die antisemitische Hetzschrift nach einer Kundgebung der Schweizer Nationalsozialisten 1933 im Casino Bern ohne Skrupel verkauft wird, entscheiden sich der Israelitische Gemeindebund und die Israelitische Kultusgemeinde Bern vor Gericht zu ziehen. Ziel: "Die Protokolle der Weisen von Zion" sollen endlich als das entlarvt und rechtssicher bezeichnet werden dürfen, was sie sind: ein übles Machwerk, ein Plagiat und eine Fälschung. Doch wer soll den Prozess anführen? Die Wahl fällt auf einen jungen Anwalt, der gerade sein Jurastudium in Bern abgeschlossen hat: Georges Brunschvig. Seine Verlobte, die 18-jährige Odette Wyler, verfolgt jeden Verhandlungstag des zwei Jahre dauernden Prozesses im Berner Amtshaus als Zuschauerin. Die internationale Presse berichtet detailliert, der Andrang ist enorm. Der renommierte Schriftsteller und Journalist Carl Albert Loosli wird vom Richter als Experte benannt. Dem Antisemitismus soll mittels eines richterlichen Urteils endlich ein vernichtender Schlag versetzt werden.
Regie: Jochen Strodthoff, Ausstattung: Angela Loewen, Musik: Robert Aeberhard
mit: Heidi Maria Glössner, Jeroen Engelsman, Wowo Habdank, Tobias Krüger, Kornelia Lüdorff
Uraufführung
⇒ Katalog Hartmann & Stauffacher Spielzeit 23/24
Beitrag im Wiener Online-Magazin Lebendige Lerchenfelder Straße vom 15. Februar 2022
Dieser Platz wird es wohl kaum je in die Top Ten der touristischen Sehenswürdigkeiten Wiens schaffen, geschweige denn in die Chronik der österreichischen Republik.
Bearbeitung von Dürrenmatts "Der Besuch der alten Dame"
Premiere 30.Oktober 2021 im Theater an der Effingerstrasse
Ein feministischer Blick auf die «Alte Dame»
Die Bearbeitung des Dramas zielt darauf ab, den Fokus zu verlagern und so eine spezifische Lesart zu betonen. Im Zentrum der Bearbeitung steht nicht mehr die allmähliche Metamorphose der Güllener (Abgrenzung gegenüber und Ausgrenzung von Alfred Ill, der beginnende Konsumrausch), sondern die Liebesgeschichte zwischen Alfred Ill und Klara Wäscher/Claire Zachanassian.
In der Bearbeitung geht es um die Frage, welchen Stellenwert die Liebe zwischen Alfred und Klara/Claire in einer kapitalistischen, von Männern dominierten Gesellschaft hat (womit wir wieder bei der Gegenwart angelangt sind). Was bedeutet es, wenn Liebe zum Tauschwert verkommt? Es wird sich zeigen, dass in dieser Geschichte – trotz den tragischen resp. grotesken Implikationen – einzig die Liebe zwischen Ill und Klara/Claire Zachanassian nicht austauschbar ist. Freilich steht die Beziehung zwischen den beiden Hauptfiguren in einem Spannungsverhältnis zur Kleinstadt Güllen. Die Liebesgeschichte wird nicht als private Angelegenheit gelesen; von Anfang an soll ihre gesellschaftliche Verortung gezeigt werden – was die Vergangenheit angeht, aber auch die Zeit, in der das Geschehen spielt (Wertekodex, Kompromittierbarkeit, Umgang mit kognitiven Dissonanzen). Es geht also um all jenes, was Dürrenmatt in seinem Stück zwar anspricht resp. andeutet, was er aber nicht oder nur bedingt weiter ausführt. Ziel ist es, jene Seite der Geschichte zu erzählen, die bislang nur angedeutet oder skizziert wird. Was geschah damals? Welche Rolle spielt die Güllener Dorfgemeinschaft für die junge Liebe? Wie ist der Blick der Männer auf die junge Klara Wäscher? Wie sieht es fünfundvierzig Jahre später aus?
Regie: Alexander Kratzer
Puppenspiel: Katharina Halus
Ausstattung: Katia Bottegal, Peter Aeschbacher, Sybille Welti
⇒ Interview, "Der Bund" (28.10.2021)
Tilla Rauch und Fabian Guggisberg bei den Proben zu "Start" (UA)
Regie: Dora Schneider, Choreografische Begleitung: Marcel Lehmann, Kostüme: Sarah Bachmann
Premiere: Samstag, 5.9.2020, 19 Uhr, Rathausplatz
Weitere Termine siehe Spielplan
In der Spielzeit 2020/21 fungiert Gornaya als Mentorin im Förderprogramm Schreibstoff des Theaters an der Effingerstrasse.
Juni 2019
Berner Schreibstipendium 2019
Juni 2018
Literarische Auszeichnung des Kantons Bern 2018
und
Berner Schreibstipendium 2018
Grantler Es ist sinnlos, zwischen Sein und Schein zu unterscheiden, zu glauben, es gäbe einen Unterschied zwischen Realität und Einbildung. Wir sind dank unsrer Einbildungskraft. Ist Erikson tot, ist er nicht tot? Ich bitte Sie, Kolschitzky, wo ist der Unterschied?
Sanders Es ist human, wenn wir einen Krüppel einen Bückling machen lassen. Schließlich kann er sich nicht recken.
Uraufführung September 2017 Konzert Theater Bern
⇒ Interview von Elisabeth Maier in "Theater der Zeit"
Hermann Wer Geld hat, reist mit seinem kranken Herzen nach China. Dort kriegt er das gesunde Herz von einem, der hingerichtet worden ist.
Der junge Wiesner Eine vernünftige Kosten-Nutzen-Rechnung. Soll ein gesundes Herz im Grab vermodern?
Alhvit Ein mutiges Herz, wer möcht das nicht?
Uraufführung Volkstheater Wien März 2017
Glück? Einzelne Momente, die er der Hoffnung verdankt und den nächtlichen Stunden, in denen er komponiert. Doch vor allem ist’s ein Kampf. Der Vater hat es kommen sehen; er weiss, wovon sich in der Schweiz leben lässt: Lehrer muss man werden, Pfarrer, Richter.
Konzerttheater Bern, Spielzeit 16/17
Meister der Selbstinszenierung
Sie sind Meister der Selbstinszenierung: Die Influencerin Juliette, der touristische Hotspots als Hintergrundmotiv für Prada, Gucci & Co. dienen, Dorian, der als Hochstapler davon träumt, in die Geschichte der Architektur einzugehen, oder auch der Wrestler Bad Branko, dessen vorgetäuschter Schmerz die Kassen füllen soll. Was sie antreibt, ist der unbedingte Wille, erfolgreich zu sein, sich nach oben zu kämpfen, selbst wenn man, wie der Banker Albin, ganz unten ist. Schliesslich hat man alles in der Hand; es ist nur eine Frage der Phantasie und der medialen Vermittlung (Social Media sei Dank). Was zählt, ist das Bild. Für einen selbst und für das unersättliche, nach Bildern und Geschichten gierende Publikum. Wozu sich also belasten mit den Abgründen des Lebens? Mit der Todesahnung des Grossvaters etwa oder dem Selbstmord des Vaters. Selbst der Bypass erscheint nur als notwendiger Ausweis von Leistung und Erfolg. Nicht immer jedoch geht die Rechnung auf. Sei es, dass das Drehbuch für das Comeback wahr wird, ein Callgirl namens Jelena auf dem professionellen Spiel besteht oder Justine, die auf der Bühne die Julia gibt, von Dorian plötzlich Wahrhaftigkeit einfordert. So oszilliert das Spiel zwischen der Sehnsucht nach Anerkennung und Ruhm einerseits, den inneren Widersprüchen und dem Kampf, der einmal gewählten Rolle gerecht werden zu müssen, anderseits. Die Selbstvermarktung hat ihren Preis; zur Not geht man auch über Leichen. Am Ende trifft man sich zum grossen Show-Down; während die einen den (Selbst)Betrug erkennen, begleichen die andern ihre Rechnung.
Juliette, die Influencerin, liegt beim toten Großvater.
VIELE
Das berührt uns.
Diese Hand berührt uns.
Wir haben ihn nicht gekannt, aber jetzt kennen wir ihn.
Sie zeigt uns ihre innersten Schätze.
Wir dürfen dabei sein, jetzt, wo sie Abschied nimmt.
Ja, wir haben das Glück!
Schließlich haben wir nur einen Sprung aus dem Flugzeug erwartet.
Vielleicht dürfen wir eines Tages auch dabei sein, wenn ein Mensch stirbt.
Möchten Sie nicht auch sehen, wie ein Mensch stirbt?
Das wär ein noch größeres Glück.
Wir würden auf die Augen achten. Sie würden doch auch auf die Augen achten!?
Der magische Augenblick, wenn die Augen brechen.
Es ist unfassbar traurig.
Krass.
Weint sie? Ja, sie weint.
Das geht mir richtig ans Herz.
Mir kommen die Tränen.
Tun Sie sich keinen Zwang an.
Arme Maus.
Sie teilt alles mit uns, Abu Dhabi und jetzt den Tod des Großvaters.
Und auch die Sonnenbrille von Escada –
Sie meinen Dior –
Berührt es Sie nicht auch?
Hand aufs Herz!
Das gefällt uns.
Und weil es uns gefällt, werden wir es auch teilen.
Wer hat schon das Glück, all das festzuhalten, das Hinübergleiten ins Nichts, ins Schwarz?
Schwarz gefällt ihr. Das hat sie selbst gesagt.
Wo bekommt man denn heut noch ein echtes Gefühl?
Man könnte noch näher dran, dann wären wir mittendrin.
Wie sie seine Hand hält, als wäre diese Hand noch warm.
Eine zerbrechliche Hand, ein friedliches Gesicht.
Alles, was sie sagt, kommt von Herzen.
Sie spricht mir aus dem Herzen wie niemand vor ihr.
Es wirkt so friedlich.
Schon 3824 Followern gefällt das. Vorhin waren es erst 3510.
Aber jetzt –
Was macht sie?
So deutlich sieht man das nicht…
Als ob’s darauf ankäme!
Ja, seien Sie nicht päpstlicher als der Papst.
Ist sie nackt?
Nackt neben einem Toten?!
Hat sie nicht das geringste Schamgefühl?
Krass!
Sprache jenseits des psychologischen Charakters
Von Anfang an geht es um Inszenierung. Die Regierung soll (von wollen kann keine Rede sein) die Völkerfreundschaft feiern, den Bruderkuss zelebrieren – mithin die Geschichte der Väter ins Bild setzen. Damit die hehre Völkerverständigung unter Männern nicht durch einen dummen Faux-Pas in Krieg mündet, gibt es bekanntlich das diplomatische Protokoll. Über seine Bedeutung über Jahrhunderte hinweg gibt uns das Staatszeremoniell hinreichend Auskunft. Tatsächlich steht der Regierung das Wasser ausgerechnet an diesem Tag aber bis zum Hals. Seit Jahren schon von der Realität entfremdet – das Land selbst abgeschottet und die Grenzen zu – geht es der Regierung jetzt allein um die Aufrechterhaltung des Status Quo und des Scheins sowie um das Verschleiern dessen, was ist. Ihre einzige Angst: Dass die Inszenierung aus dem Ruder laufen könnte.
Man handelt nicht, spricht dafür umso mehr. Die Tonprotokolle aus den letzten Sitzungen des SED-Zentralkomitees im Herbst 1989 zeigen, wie es sich anhört, wenn Männer im Ausnahmezustand so tun, als könnte man die Tagesordnung weiterführen. Man hält am Vokabular fest, selbst wenn alles um einen herum zusammenbricht. Da die Regierung schon längst nur noch um sich selbst kreist, hat sich das Sprechen in Stereotypen und sinnentleerten Phrasen – sprich: Zitaten – kristallisiert (dass es ausserhalb des Zitierens überhaupt kein Sprechen mehr gibt, beklagt schon Fürst Saurau in Thomas Bernhards Verstörung). Es kommt deshalb nicht von ungefähr, wenn Major Sanders versucht, sich an einen jahrhundertealten Quellentext zu erinnern. Ihr Sprachreservoir entstammt nicht dem lebendigen Hier und Jetzt, sondern schöpft sich aus einer bereits vermittelten Vergangenheit, konkret: aus einem Bericht des Minoriten Johannes von Winterthur über die Schlacht von Morgarten. Es ist eine Art sprachliche Choreographie aus der Gruft heraus, entfremdet von der Wirklichkeit und von jeglicher individueller Wahrheit. Die Phrasen, Versatzstücke und Zitate sind längst an die Stelle der Wirklichkeit getreten und haben sich verselbständigt, so dass der Minister vergisst, was und wen er gerade zitiert, und man eben auch schon mal etwas durcheinanderbringt. Darüber hinaus verweisen die Phrasen auf die Verlogenheit der Regierung. Warum denkt Sanders sofort an Schlachten, wenn es darum geht, eine neue Rede über die Völkerfreundschaft zu entwerfen? Oder warum geht es im ABC der Völkerfreundschaft vor allem darum, Feinde und Ausländer zu benennen und zu beziffern? Der totale Widerstand. Kleinkriegsanleitung für jedermann oder auch ein Wahlkampf-Quiz einer Partei aus dem Jahr 2016 liefern dafür den dafür nötigen Duktus und Gestus. Von da ist es nur noch ein kleiner Schritt zum Missbrauch, ja, zur Perversion an sich idealer Begriffe. Man muss sich dafür nur Erich Mielkes Selbstverständnis als Humanist vergegenwärtigen.
Die ewige Wiederholung, die sprachliche Endlosschleife schützt vor Pannen nicht, im Gegenteil. In Die Schweiz und ihre Skandale kann man nachlesen, was man unter Dilettantismus zu verstehen hat; die Versuchung, 007 oder Indianerlis zu spielen, ist eben mitunter gross. Und mindestens ebenso gross ist die Skrupellosigkeit, wenn es darum geht, den Skandal gegenüber der Öffentlichkeit zu vertuschen; es wird gelogen, dass die Balken brechen. Dass das Spielen weit mehr Lust bereitet als die Wirklichkeit, demonstrieren übrigens auch Sanders und Blomberg-Pappenheim, wenn sie im Wargame Operation Exporter, das als Brettspiel tatsächlich existiert, die Syrieninvasion von 1941 nachstellen.
Die Regierung handelt erst, als sie keinen andern Ausweg mehr sieht. Bezeichnenderweise besteht die «Lösung» in einer neuen Inszenierung, es handelt sich also um ein Spiel im Spiel (nicht zuletzt orientiert man sich dabei am militärischen Gruss). Wenn sie über das Individuum Kolschitzky den Bann ausspricht, erklärt sie ihn für rechtlich schutzlos: Dieser wird zum homo sacer (Agamben) erklärt, den man töten darf, ohne dass es als Mord gilt. So erbringt die Regierung den Beweis ihrer Macht.
Gornaya, deren künstlerische Wurzeln in Riga liegen, ist in der Nähe von Basel aufgewachsen. Nach der Erlangung der Matura nahm sie in Basel das Studium der Germanistik und Geschichte auf. Mit 23 Jahren zog sie nach Düsseldorf, wo sie ihr Studium beendete und anschließend in Literaturwissenschaft promovierte. Seit 2004 lebt sie in Bern und Wien. Gornayas erstes abendfüllendes Stück Nanjing. The Future (Hartmann & Stauffacher) wurde am Volkstheater Wien im März 2017 uraufgeführt. Während ihrer Zeit als Hausautorin am Konzert Theater Bern folgte im September 2017 die Uraufführung der Politsatire Island. Als Freunde sind wir erbarmungslos (Hartmann & Stauffacher). In derselben Spielzeit wurde u.a. eine musikalisch-literarische Soirée über den Schweizer Komponisten Friedrich Theodor Fröhlich uraufgeführt sowie aphoristische Texte zu den Themen Heimat, Liebe und Hass.
Im Juni 2018 wurde Gornaya mit dem Literaturpreis des Kantons Bern 2018 sowie dem Berner Schreibstipendium 2018 ausgezeichnet. Im Juni 2019 folgte für den Roman Hadir das Schreibstipendium des Kantons Bern. Ende Oktober 2021 hatte die feministische Bearbeitung von Dürrenmatts Der Besuch der alten Dame am Theater an der Effingerstrasse Premiere.
Aktuell arbeitet sie an zwei Theater-Projekten.
Vielen Dank für Ihre Nachricht.